Saskia Wallner ist CEO der Wiener Kommunikations- und PR-Agentur Ketchum Publico. 2021 feiert sie ihr 10-jähriges Jubiläum als Geschäftsführerin des Unternehmens, keinen einzigen Tag sei ihr dabei langweilig gewesen. Begonnen hat das Jubiläumsjahr gut: Anfang des Jahres hat die von Ketchum kommunikativ umgesetzte Kampagne #Wetterberichtigung Wellen geschlagen. Statt Alexander und Lisa haben die Hochs und Tiefs im Wetterbericht migrantische Namen wie Dragica und Ahmet erhalten, um die Vielfalt in der Bevölkerung aufmerksam zu machen.

Sheconomy: Mit der #Wetterberichtigungskampagne ist Ketchum Publico gleich zu Beginn des Jahres 2021 ein Diversity-Coup gelungen. Rund 23 Prozent der Menschen in Österreich haben Migrationshintergrund, in Deutschland sind es 26 und in der Schweiz sogar 38 Prozent. Warum mangelt es in den Medien dennoch nach wie vor an der Repräsentation dieser Menschen?  

Wallner: Darauf sind die Antworten vielfältig aus meiner Sicht. Ich möchte darauf hinweisen, dass unsere Managing Director Digital, Doris Steiner, die gesamte PR zu dieser Kampagne gemacht hat und sie zu dem gemacht, was sie ist. Ihr und den Gestaltern der Kampagne war es ein Anliegen, auf das Thema Diversität in der Gesellschaft hinzuweisen. Und wir haben festgestellt: mit kaum etwas erreichst du so viele Menschen wie mit dem Wetter. Die Kampagne hat eine Milliarde Menschen erreicht. Obwohl es einen Wandel gegeben hat, ist es in den Medien aber dieselbe Geschichte wie auch in der Wirtschaft: das Thema homosoziale Reproduktion. Die etablierten Entscheidungsträger fördern eher Menschen, die so sind wie sie selbst und da bleibt die Diversität insgesamt auf der Strecke. Dieses Thema Strukturen aufzubrechen und Dinge anders zu machen – das treibt mich an. Diversität ist ein Vehikel dafür. 

Sheconomy: Sie haben vor genau zehn Jahren die Geschäftsführung von Ketchum Publico übernommen. Das war nach der Übernahme der PR-Agentur Pleon Publico durch die US-amerikanische Omnicom-Gruppe, der Ketchum angehört. Vor welchen Herausforderungen standen Sie vor zehn Jahren? 

Wallner: Mein Team und ich haben diese sehr stark patriarchale PR- und Lobbyingagentur Publico – mit Zigarrenclub und allem, was damals dazu gehörte – übernommen und etwas ganz Neues daraus gemacht. Die ersten beiden Jahre, 2011 und 2012, waren ein Tal der Tränen. Wir hatten die Finanzkrise, wir hatten eine Branchenkrise und wir hatten eine interne Krise, weil viele dem amerikanischen Eigentümer und auch mir gegenüber skeptisch waren. Ich habe immer wieder gehört: „Du bist eine fantastische Beraterin, aber als Frau gleich nach der Karenz die Geschäftsführung von diesem großen Tanker zu übernehmen… naja.“ 

Sheconomy: Sie haben es dennoch getan. Welche Innovationen haben sie in den vergangenen zehn Jahren vorangetrieben?

Wallner: Es war mir wichtig den Bereich interner Change weiterzuentwickeln. Da haben uns angeschaut, was die interne Kommunikation in Organisationen mit den Menschen macht. Ganz wichtig ist bei uns außerdem die Kreativität. Wir haben eigene Creativity-Sessions und einen Kreativkoffer in der Agentur. Ein weiteres Thema sind Daten und Data Analytics. Wir machen ganz viel datengetriebene PR und versuchen möglichst viele Kampagnen auf Basis von Daten zu planen. Was sich abgesehen von unserem Portfolio massiv verändert hat, ist die Art und Weise, wie wir miteinander umgehen und die Leadership- und Managementkultur, die wir haben. Da habe ich im Laufe der Zeit viel gelernt und konnte es mit meinen Kolleginnen und Kollegen teilen. Es ist mir wichtig, dass sie wirklich wachsen können und sich zu tollen Beratern, aber auch Persönlichkeiten entwickeln.

Sheconomy: Bleiben wir beim Thema Teamentwicklung. Welche Rolle spielt Female Empowerment in ihrem Führungsstil? 

Wallner: In unserer Branche gibt es ja nicht das Problem, dass wir zu wenige Frauen haben, deshalb versuche ich unser Team möglichst ausgewogen zu halten. Zwei Drittel sind Frauen, ein Drittel sind Männer. Ich will alle empowern, die gut sind und die sich hineinhauen. Da spielt Female Leadership eine große Rolle, denke ich. Ich schaue sehr auf mein Team. Ich verlange viel, aber ich gebe auch sehr viel, vor allem die Möglichkeit sich zu entfalten. Ich schaue bei jeder Person: was macht sie wirklich gerne und gut und wohin kann sie sich entwickeln? Wir merken von der Praktikantin bis zur Finanzchefin – die Leute werden fröhlicher, engagierter und bringen sich viel mehr ein. Freude macht erfolgreich.

Sheconomy: Wie lief das Krisenjahr 2020 für Ketchum Publico? 

Wallner: Ich möchte nicht zynisch klingen und sage das mit aller Demut: 2020 war ein sehr erfolgreiches Jahr für uns. Wir mussten zwar Kundenteams, die stark in der Hotellerie tätig waren, in Kurzarbeit schicken, das war nach zwei Monaten aber schon wieder vorbei. Danach hatten wir wieder viel mit bestehenden und neuen Kunden zu tun. Alleine im Herbst haben wir neun Kunden gewonnen, am Ende sind wir sogar leicht gewachsen. Ich denke, indem wir die Kunden gut durch die Krise begleitet haben, konnten wir unsere Reputation noch einmal stärken. 

Sheconomy: Wie war die Situation speziell für Mitarbeiterinnen, die zusätzlich zum Home-Office auch ihre Kinder betreuen mussten?

Wallner: Wir haben von Anfang an klar kommuniziert, was passieren wird und haben alle schon Anfang März ins Home-Office geschickt. Wir hatten bereits die technischen Voraussetzungen für das Home-Office, haben das aber noch zusätzlich um Bildschirme und Tastaturen aufgerüstet. Ich muss aber sagen, wir haben nicht so viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Kindern: ich selber und noch ein paar andere. Bei ihnen haben wir das ganz flexibel handgehabt, so sind etwa andere Kolleginnen und Kollegen eingesprungen, wenn es eine Zeit lang gar nicht ging. 

Sheconomy: Dennoch waren es die Frauen, die während der Coronakrise den Kürzeren gezogen haben. Werden eher Frauen die wirtschaftlichen Konsequenzen tragen?

Wallner: Das fürchte ich schon, ja. Das betrifft natürlich viel stärker den Handel und die Gastronomie. Also Branchen, wo ganz viele Frauen beschäftigt sind. Ich denke auch, dass in Situationen, wo beide in Kurzarbeit waren, der Mann eher wieder zurück zur Arbeit geht und die Frau bei den Kindern bleibt. Diese Sorge habe ich definitiv. Ich trage zumindest in unserem Unternehmen dazu bei, dass es nicht so ist. 

Sheconomy: Sprechen wir noch ganz kurz über Frauen in Führungspositionen. Warum scheint es selbst in der PR-Branche in diesem Bereich nur schleppend voran zu gehen? 

Wallner: Da hat sich in den letzten Jahren wirklich etwas geändert, alle großen Agenturen sind von Frauen geführt. Das taugt mir voll, das war früher nicht so. Und das stimmt mich sehr zuversichtlich und optimistisch. Die Werbebranche ist allerdings immer noch sehr männerdominiert. Bei Digital- und Kreativagenturen geht es doch sehr stark um Selbstbewusstsein, das haben Männer häufig besser drauf. Es ist leider so, dass Frauen meistens weniger selbstbewusst sind, dass sie sich weniger zutrauen, dass sie sich weniger auf die Hinterfüße stellen und dass sie 15 Mal überlegen bevor sie sich in Stellung bringen. Wir wollen junge Frauen bestärken genau das zu tun. Oft kommen 23-jährige Frauen neu zu uns und wir schicken sie vor, wenn es darum geht Projekte zu präsentieren und mit den Kunden zu arbeiten.

Sheconomy: Vielen Dank für das Gespräch.